Initiativgruppe
vom Zölibat betroffener Frauen
Erfahrungen > Petra (51 Jahre)
Enttäuscht von meiner letzten Beziehung wollte ich
nie wieder einen Mann in mein Leben lassen. Ich sah Michael als Priester, nicht
als Mann, der mich enttäuschen könnte.
Priester haben keine Beziehungen, höchstens
Freundschaften.
Ja, und genau so etwas wollte ich: Einen guten
Freund, mit dem man über alles reden oder etwas unternehmen kann. Priester
halten den Zölibat und wollen nicht mehr, davon war ich überzeugt. Vielleicht
war das der Grund, dass ich Michael überhaupt so nah an mich herankommen lies.
Bei jedem anderen Mann (mit einem anderen Beruf) hätte ich dichtgemacht, das
wäre mir zu „gefährlich“ gewesen.
Wir kannten uns vorher schon ein wenig, als ich in
seine Gemeinde versetzt wurde. Ich mochte ihn. Durch die gemeinsame Arbeit
verbrachten wir viel Zeit miteinander und kamen uns näher.
Wir arbeiteten an vielen Projekten, besprachen
seine Predigtideen oder Probleme in der Pfarrei und gingen zusammen essen,
wandern oder im Sommer schwimmen.
Es tat mir gut, mit ihm zusammenzuarbeiten und ich
gebe zu, dass ich seine Nähe suchte. Ich freute mich, wenn wir nebeneinander
saßen oder er mich zum Essen oder gemeinsamen Kochen einlud. Ihm ging es
genauso. In den Gesprächen merkten wir, dass wir uns sehr ähnlich sind in
Gedanken, Verhaltensweisen, Vorlieben und Geschmack.
Nach etwa einem Jahr fuhren wir beide zu einer
Fortbildung nach Frankreich. Eines Abends machten wir noch einen kleinen
Spaziergang und kamen in ein Gewitter. Wir suchten uns einen Platz zum
Unterstellen und fanden eine Grillhütte. Da saßen wir zusammen auf einer Bank
und weil es kälter wurde, legte Michael
irgendwann den Arm um mich und
ich kuschelte mich an ihn.
Das Gespräch wurde sehr persönlich, über unsere
Vergangenheit, unsere Wünsche, Ängste und natürlich den Zölibat. An diesem Abend
wurde aus uns beiden wohl ein Paar. Ein vorsichtiger Kuss vor dem Haus
besiegelte das Ganze.
Die veränderte Situation hat uns beide ziemlich
verunsichert.
Es gab so viele Fragen:
Wie sollte das in der Pfarrei werden? Würden wir
unsere Liebe in der Gemeinde geheimhalten können? Wie sollte das funktionieren?
Was würden meine Kinder dazu sagen? War das wirklich Gottes Wille und Fügung?
Durften wir den Zölibat so einfach brechen? Diese und viele andere Fragen stellten wir uns. Immer wieder.
Trotzdem wollten wir es wagen. Eines war zwischen
uns aber von Anfang an klar und das hat mir unglaublich viel Kraft gegeben:
Michael und ich würden den Kirchendienst aufgeben, falls es nicht funktionieren
sollte. Unsere Liebe, unsere Beziehung und eine gemeinsame Zukunft war
wichtiger und kostbarer.
Natürlich fielen wir auf.
Liebe sieht man einfach!
Meine Freundinnen haben es gesehen, ohne dass ich
etwas sagen musste.
Einige aus der Gemeinde haben es auch gemerkt.
Ich hatte ja das Glück, dass ich im Pfarrhaus ein
und ausgehen konnte, schließlich habe ich dort mein Büro. Umgekehrt war es
nicht so unauffällig. Es wurde registriert, wann Michaels Auto vor meinem Haus
parkte, dass er einen Schlüssel hatte und dass er viel bei mir war. Die
Gerüchte nahmen zu und damit auch der Neid und die Eifersucht einiger Damen in
der Gemeinde, die sich zurückgesetzt fühlten.
Mehrmals musste ich mir von Frauen der Pfarrei
anhören, dass ich den „Pfarrer in Ruhe lassen soll“ oder dass ich etwas tun
muss, damit ich die Gemeinde nicht zerstöre! Aus den Gesprächen war aber immer
schnell klar, dass Eifersucht dahintersteckte.
Denn wenn Michael dazukam oder nachfragte, wurde
gelächelt, alles abgestritten oder runtergespielt. Den Ärger bekam zunächst nur
ich ab, später beide und es wurde immer schlimmer. Gegen diese Frauen kamen wir
nicht an. Die haben echt alle Register gezogen!
Eines Tages wurde er vom Bistum einbestellt und er
musste sich zu den Vorwürfen äußern. Wir waren ziemlich entsetzt. Womit diese
Gemeindemitglieder nicht gerechnet hatten: Das Bistum stellte sich hinter uns.
Die Damen bekamen eine entsprechende Antwort. Natürlich aus dem Blickwinkel
heraus, dass wir keine Beziehung führen, sondern nur gut befreundet sind.
Letztendlich führen wir unsere Beziehung „privat“.
Unsere Familien und unsere Freunde wissen, dass wir ein Paar sind und
unterstützen uns. Nach außen und
beruflich sind wir ein Team, das gemeinsam arbeitet, sich dabei prima versteht
und gut befreundet ist.
Wir haben beide noch einige Jahre im kirchlichen
Dienst vor uns und sind inzwischen zuversichtlich, dass es gelingen kann.